Gastautorin: Bryndís Björnsdóttir
Was ist wenn ich dir, meiner (vorerst) mutmaßlichen Leserin, sage, dass es hoch im Norden eine Insel gibt auf der man momentan dafür kämpft, dass du dir barbusig warmes geothermales Wasser übergießen darfst, um dich dann anschließend inmitten eines öffentlichen Schwimmbades Lufttrocknen zu lassen, ganz genauso wie jemand mit schlaffen Männerbrüsten eben auch?
Ich könnte dich austricksen und dich glauben machen, dass ich hier eine universelle Forderung mache, wenn nicht mein Familienname das Land in dem ich geboren wurde verraten würde (dass bedeutet soviel wie dass du mich „Frau-die Tocher-ihres-Vaters“ nennen darfst), weswegen es sich hier doch eher um eine Provokation mit einem Hauch von Zynismus, so typisch für den kalten und dunklen Norden, handelt. Allerdings – wie mit so vielen ironischen Äußerungen – liegt auch hinter dieser ein Gefühl der Dringlichkeit: die Sehnsucht danach, dass Feminismus endlich einen strategischen Weg zu realen Veränderungen findet.
Die jüngste feministische Erscheinung in Island ist die „Free the Nipple“-Bewegung, welche nun jährlich festiv zur Schau getragen wird – dieses Jahr in einem örtlichen öffentlichen Schwimmbad. Jedoch findet die „Free the Nipple“-Bewegung ihren Ursprung in Islands großem Bruder – den USA. Isländische Feministinnen schwimmen im Fahrwasser der „Free the Nipple“-Bewegung im Glauben, dass die Gesellschaft der Pornographie erlegen ist. Weder auf Facebook, noch im Schwimmbad haben Frauen ein Recht darauf, selbst zu bestimmen, wann ihre Körper sexualisiert werden und wann nicht. Die „Free the Nipple“-Bewegung stellt Kapitalismus in ein schlechtes Licht – während sie online T-Shirts mit lebensgroßen weißen Brüsten mit schwarzen Xen zensierten Nippeln darauf verkauft.
Image source: http://freethenipple.com/
Im Zentrum der globalen ökonomischen Integration und Modernisierung steht der Körper und dir Arbeit der Frau, so behauptet Meredith Tax in A Road Unforeseen: Women Fight the Islamic State (1). Darin widmet sich Tax einer Bewegung kurdischer Kämpferinnen, welche die Forderungen und Bedürfnisse von Frauen als ihr zentrales Thema gemacht haben, wodurch sie einen Weg zu einer realen Veränderung aufzeigen. Meist werden sie von den Medien als taffe Frauen repräsentiert die mit ihren Knarren gegen den islamischen Staat kämpfen, jedoch basiert die Bewegung in Wirklichkeit auf einer umfassenden Ideologie rundum das Thema Gleichberechtigung welche auf einem bottom-up Model für demokratische Staatenlosigkeit aufbaut.
Ich erwähne Freiluft Brüste in Schwimmbädern nicht um einfach nur ein schlechtes Licht auf Westlichen Feminismus zu werfen, sondern um herauszufinden wie durch die Verortung dieser Bewegung sich die Gemeinsamkeiten zu anderen Frauen definieren lassen. Daraus heraus eröffnet sich eine strategische Position aus der man reale Veränderungen initiieren kann. Zuletzt wurde das Schwimmbad zum Standort des biopolitischen Kampfes erklärt. Westliche nationale Fundamentalisten sehen es als einen Raum an dem die Reinheit der Frau vor dem Auge des Anderen beschützt werden muss, der Andere ist hier der Singelmann mit Flüchtlingsstatus. Weitere Uneinigkeit zum Thema der weibliche Körper in öffentlichen Erfrischungszonen kann im hart umkämpften Bikini versus Burkini Rätsel gefunden werden. Zwischen Oben-ohne und Knarren gegen ISIS liegt ein unberührter Raum welcher bisher von phallozentrischen Definitionen verschont blieb. Dieses Vakuum bietet alternativen weibliche Subjekte Verhandlungsspielraum zur Destabilisierung von dogmatischen, hegemonischen und exklusiven Mächten.
Rosi Braidotti schlägt vor Subjektivität als einen Prozess der „nomadisierung“ zu gestalten. Dieser beinhaltet eine politische investierte Kartografie der momentanen Beweglichkeit in der globalisierten Welt von Heute: eine Kartografierung der verorteten, eingebetteten und verkörperten sozialen Positionen. Nomadische Subjekte werden dadurch die Wegbereiter der Provokation und erhalten „eine Kritik von dominanten Visionen des Subjekts, Identität und Wissen, von innerhalb eines der vielen Zentren, welche die kontemporäre globalisierte Welt strukturieren.“ (2) Eine nomadische Kartografierung des internationalen kunstszenigen Berlins ist auch mit dem dezentralisierten umherwandern zwischen Projekt Räumen, Plattformen und Venues verbunden, dies setzt sich auseinander mit der Dezentralisierung als einer Realität, ein STELLA schrei im nichts wo hin und wieder dezentralisierte Wege sich kreuzen. Kurz nachdem ich in der Stadt angekommen war hatte ich in einem Projekt Raum performt, danach sprach mich ein kurdischer Mann an. Er war beeindruckt eine Frau zu sehen, die performt, denn so etwas ist in seinem Heimatland nicht erlaubt. Ich machte dann mit bei seiner Performance, welche darin bestand eine Hymne für seine Schwester zu singen, die hoffentlich bald sicher in Berlin ankommen sollte – dort wo sie damals war, war es aufgrund ihres Geschlechts nicht erlaubt für zu singen.
Bryndís Björnsdóttir, Mountain Woman – Tunes to FaceTime, 2016, performance, installation
Photo (detail): Joanna Kosowska
Zur gleichen Zeit nahm auch das Project Space Festival und die Veröffentlichung der Publikation THE MANY HEADED HYDRA an Form an. In meiner Performance benutzt ich die Rolle der „Berg Frau“, eine Personifizierung Islands. Ich transformierte die Berg Frau indem ich sie das Lied der Frauen der kurdischen Friedens Bewegung singen ließ. Diese Performance eröffnete mir die Möglichkeit eine nomadische subjektive Position als transformatives Werkzeug einzusetzen Die Berg Frau in meiner Performance war eine quer Quota Queen, mein früheres Performance-Ich verbunden mit Islands neokolonialen Narrativen. Politische Subjektivität: eine Berg Frau hält ein iPhone welches ein Video zeigt auf dem meine Identität mit der von Erdogan zur Zeit des Putsches auf FaceTime kollidiert Die Wiedergutmachung des weiblichen feministischen Subjekts, während man ein Lied über Staatenlosigkeit singt, eröffnete die Möglichkeit Verbindungen und Spannungen zwischen Politik und dem eigenen Selbstbewusstsein zu kreieren.
Währenddessen bestehen vertikale Strukturen wie ein ehemaliger DDR Wachturm fort, in dem eine Performance stattfand. Der nächste Stop ist diesen Herbst in Island mit einer Kollaboration zwischen der MANY HEADED HYDRA Publikation, Sea Body Infrastructure Image und dem Occupational Hazard. Während dieser Performance war ein Teil meines Kostüms ein schlaffer Phallus, welcher anscheinend das männliche Publikum aufregte, welches mich in der Pause informierte, man wisse ein Mittel dagegen. Die Frauen meines gleichen streben nach dem Gleichen, ob ihre Waffe das Ablegen ihres BHs ist oder das Laden einer Waffe, der Versuch sich loszumachen und sich herauslösen aus den bisherigen Strukturen.
Übersetzung: Marlene Ronstedt
Bryndís Björnsdóttir, Mountain Woman – Tunes to FaceTime, 2016, performance, installation
Photo: Joanna Kosowska
References:
(1) Meredith Tax, A Road Unforeseen: Women Fight the Islamic State (Minneapolis: Bellevue Literary Press, 2016)
(2) Rosi Braidotti, Nomadic Subjects: Embodiment and sexual difference in contemporary feminist theory (New York: Columbia University Press, 2011), 8.
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Bryndís Björnsdóttir ist eine Künstlerin und Schriftstellerin welche in Berlin lebt und arbeitet. Ihre Performance Mountain Woman – Tunes to FaceTime fand am 14ten Tag des Project Space Festivals statt als ein Teil von District Berlin’s Präsentation THE MANY HEADED HYDRA am Grenzwachturm in Treptow, gemeinsam mit Ato Malindas Arbeit On Fait Ensemble und die Publikation Sea Body Infrastructure Image, mit Arbeiten von Anna Hallin & Olga Bergmann, Bryndís Björnsdóttir, Hannah Black, Natasha Ginwala, Tinna Grétarsdóttir, Emma Haugh, Suza Husse, das Occupational Hazard Project, Tejal Shah, Elsa Westreicher, Nine Eglatine Yamamoto-Masson und TeilnehmerInnen des Workshops „Speaking as Fishes“ in Leipzig und Reykjavik.