Zum 4. Mal startet in diesem Jahr das Project Space Festival. Im Interview mit dem PSF Blog sprechen die Festivalleiterin Marie-josé Ourtilane und die Stellvertretende Leiterin Cora Hegewald über Mut zum Experiment, eine Reise an die Ränder der Stadt und das Festival als wichtigen Termin im Berliner Kulturkalender.
Nach einem Jahr Pause ist das Festival wieder da. Was erwartet die Besucher*innen in diesem August?
Marie-josé: In diesem Jahr findet die 4. Ausgabe des Project Space Festivals statt und man kann auch das diesjährige Festival wieder als Reise durch die Projektraumwelt verstehen. So kann man eine Idee davon bekommen, wie die Projekträume dieser Stadt denken und arbeiten, wie sie in die Stadt hinein wirken, an welchen Projekten und Themen sie arbeiten – in der ganzen Bandbreite. Da sind oft Räume, die sich durch das auszeichnen, was sie nicht sein wollen: weder kommerziell noch institutionell. In dieser Szene ist ganz viel Mut zum ästhetischen Experiment und die Räume sind große Impulsgeber in der Berliner Kunstszene. Diese Arbeit wollen wir sichtbar machen für das Publikum.
Der Kalender der Berliner Kunstlandschaft ist mit Großveranstaltungen wie dem Gallery Weekend und der Berlin Art Week schon stark besetzt. Schließt das Festival dennoch eine wichtige Lücke?
Cora: Absolut. Im Frühjahr und im Herbst wird die etablierte und kommerzielle Kunstszene beleuchtet. Wir zeigen hier mit dem Festival im August eine völlig andere Szene. Es geht uns um die freien, unabhängigen Kunsträume, um eine Szene, die sehr dynamisch ist, sich wahnsinnig schnell verändert und auch sehr fragmentiert ist. Das Festival bietet insofern eine schöne Möglichkeit, einmal im Jahr geballt und intensiv in diese Welt reinzuschauen und sich einen Ein- oder Überblick zu verschaffen: für die Macher*innen, die sehen können, was die Kolleg*innen machen, aber vor allem für das Publikum. Zudem schließt das Festival auch innerhalb der freien Szene eine Lücke und ergänzt die anderen wichtigen Foren: das Netzwerk freier Berliner Projekträume und -initiativen als politische Interessenvertretung zum einen, und den Projektraumpreis, mit dem der Senat die Arbeit von Projekträumen würdigt, zum anderen.
Marie-josé, Du sprachst vorhin schon vom Festival als einer Reise. Die Veranstaltungen erstrecken sich auch in diesem Jahr wieder über weite Teile der Stadt. Wie wichtig ist diese breite Ausdehnung für das Festival?
Marie-josé: Wir haben ja zum einen die Fetivalzentrale im ACUD MACHT NEU, in der die Besucher*innen in einem extra gestalteten Raumsetting von Julien Villaret Informationen über das Festival bekommen können. Aber darüber hinaus bewegen wir uns natürlich aus der Mitte der Stadt heraus, bis an die Ränder der Stadt, bis nach Pankow, Siemensstadt oder Hellersdorf. Auch die Jury hat schon ein Auge darauf gehabt, wo die Räume sich befinden, einfach, um die Stadt in ihrer Vielfalt mitdenken zu können. Das ist uns wichtig.
Cora: Vielleicht ist das Festival auch in Bezug auf seine Geografie ein Stück weit ein Seismograf: Die Kunstszene bewegt sich ja zunehmend in die Peripherien wie z.B. Hellersdorf und mit dem Festival begleiten wir diese Bewegungen – eventuell auch frühzeitiger als manch andere. Es ist auf jeden Fall schön zu sehen, dass das Festival neben den großen Clustern Kreuzkölln und Mitte, die man aus dem Kunstkontext ohnehin schon kennt, noch viel mehr bieten kann. Es gibt nicht nur die eine große Wolke in einem Stadtteil.
Zeichnen sich Themen ab in diesem Jahr, die die Szene besonders bewegen? Gibt es ein übergreifendes Thema?
Cora: An erster Stelle steht sicherlich die Diversität, die Marie-josé vorhin erwähnte. Man kann das Festival nicht unter einem Thema zusammenfassen. Was aber doch auffällt, ist, dass sich die Beiträge immer wieder mit dem Thema Raum befassen, in seiner ganzen Bandbreite: mit mentalem, geografischem, imaginiertem oder digitalem Raum. Und es geht immer wieder auch um die Fragen von Verbindungen aller Art, zwischen Genres, zwischen künstlerischen Ausdrucksformen, zwischen Orten und Ideen. Da werden ganz viele Brückenschläge versucht, was wir spannend finden.
Marie-josé: Das Festival ist kein klassisch kuratorisches Projekt, es gibt von uns keine thematischen Vorgaben für die Räume. Das ist meiner Meinung nach auch nicht möglich. Die Räume verstehen sich als frei: frei von kommerziellen Überlegungen, frei von politischen Vorgaben. Warum sollen wir ihnen da ein kuratorisches Korsett anlegen? Was das Publikum zu sehen bekommt, ist ein unverstellter Blick auf die Szene, in ihrer ganze Breite und Unterschiedlichkeit. Das macht das Festival so spannend.
—
Interview: Manuel Wischnewski