Jedes Jahr gibt es im Festival neben bewährten Teilnehmern auch wieder neue Räume zu entdecken, so wie diesmal das FK-Kollektiv und Farbvision. Wie es sich als Neuling anfühlt und warum das Festival ein wichtiges Schulterklopfen ist – ein Gespräch mit Stephanie Ballantine und Paul McDevitt.
Ihr wart mit euren Räumen in diesem Jahr zum ersten Mal beim Festival dabei. Wie waren eure Erfahrungen?
Stephanie: Es war wirklich gut. Ich bin zu so vielen Veranstaltungen gegangen wie möglich. Es ist sehr interessant, zu sehen, was die anderen so machen, und man merkt auch, dass einige Räume ihrer Zeit ein Stück voraus sind. Wir waren mit unserem Raum FK-Kollektiv bisher eher außerhalb der Szene und jetzt ist es schön, mal stärker involviert zu sein. Außerdem hat das Festival uns ein ganz anderes Publikum beschert, das war wirklich eine schöne Erfahrung.Paul: Ja, wir hatten auch ein anderes Publikum als sonst. Die üblichen Verdächtigen waren da, aber dann auch ganz neue Leute. Das macht schon einen Unterschied.
Stephanie: Ich glaube, es gibt ein bestimmtes Publikum, das dem Festival sehr treu ist und daher zu Veranstaltungen kommt, zu denen es sonst eher nicht gehen würde. Und das macht das Ganze natürlich zu einer wirklich interessanten Erfahrung für uns. Darüber hinaus verstehe ich das Festival auch als eine Art Ermutigung, weil es ja schon viel Arbeit sein kann, einen Projektraum zu betreiben. Daher hören manche irgendwann auf und das Festival ist vielleicht ein kleines Schulterklopfen.
Paul: Weißt du, eigentlich ist das Ausstellungmachen ja einfach. Das sagt nur niemand (lacht). Ich weiß gar nicht, warum einige so ein Gewese um das Kuratieren machen. Natürlich ist es viel Arbeit, aber eben auch kein Hexenwerk. Und man muss sich einfach wieder das herausziehen, was man hineingegeben hat. Zum Beispiel durch die Reaktion des Publikums, wenn man sieht, was es den Leuten bedeutet, wenn man merkt, dass man etwas von Gewicht geschaffen hat. Es gibt also die Arbeit auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite auch eine große Belohnung, wenn die Besucher*innen kommen und sich für eine Ausstellung begeistern.
Fast dreißig Räume nehmen in diesem Jahr teil. Was ist eurer Meinung nach der Einfluss des Festivals auf die Gemeinschaft der Projekträume insgesamt?
Stephanie: Ich denke, es ist wichtig, die Räume miteinander in Kontakt zu bringen. Einen Projektraum zu haben, bedeutet etwas zu bewahren, das sich außerhalb institutioneller Strukturen befindet. Und mit dieser Arbeit sollte man nicht alleine bleiben.
Paul: Um ehrlich zu sein, habe ich nie den Eindruck gehabt, dass es hier ein besonders starkes Gemeinschaftsgefühl gibt in der Kunstszene. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ein Zugezogener bin, aber mein Eindruck ist, dass die Szene sehr fragmentiert ist. Es gibt da ganze Gruppierungen, von denen ich nie ein Teil sein werde. In London ist das ganz anders: Jeder kennt jeden, allein schon von den Kunstschulen her, die der einzige Grund sind, warum Künstler*innen nach London ziehen. Auch wenn man nicht befreundet ist, weiß man voneinander. Nach Berlin hingegen kommen die Leute aus so vielen unterschiedlichen Gründen, dass sich deren Wege vielleicht nie kreuzen. Das ist gar nicht unbedingt so problematisch; es ist einfach so. Was das Festival aber wichtigerweise macht, ist in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Projektraumszene und deren Arbeit zu schaffen – und nicht zuletzt natürlich auch Fördergeld zu generieren. Projekträume sind ja nicht sonderlich sexy, oder? Wahrscheinlich kommt es letztlich darauf an, was man so als sexy empfindet: ob nun Geld und Glamour oder Projekte mit Ecken und Kanten. Trotzdem glaube ich nicht, dass die Projekträume ein starkes Profil in der öffentlichen Wahrnehmung haben und das Festival hat hier schon sehr geholfen.
Hat das Festival für euch auch eine politische Konnotation?
Paul: Ja, insofern als dass es im Geiste Berlins stattfindet, wo Geld nicht alles ist. Es ist hier nicht die treibende Kraft hinter den Dingen und falls es mal dazu kommen sollte, dann wäre das eine echte Katastrophe, eine wirkliche Schande.
Stephanie: Man muss leider sagen, dass das künstlerische Spektrum in Berlin für viele Dinge zweckentfremdet worden ist, für die Immobilienbranche, für den Tourismus. Dahinter standen vielleicht nicht immer böse Absichten, aber geschehen ist es trotzdem. Und so hat die Kunst ein Stück weit ihren ursprünglichen Daseinszweck eingebüßt. Es sind nun aber gerade die Projekträume, die sich eine gewisse Distanz dazu bewahrt haben. In dieser Szene gibt es besonders viele Menschen, die an etwas arbeiten, das sich nicht gleich dem Kapitalismus einverleiben lässt. Es wird schwerer werden, damit weiterzumachen, und umso wichtiger wird es sein, Gemeinschaften zu bilden, so wie es das Festival ja auch macht. Und auch wenn man noch mal auf die allgemeine Politik schaut, dann scheint es mir ungemein wichtig, Unabhängigkeit zu bewahren, um sie eines Tages vielleicht auch einsetzen zu können. Dieses Potential muss man schützen.
Glaubst du, dass Berlin eine Zukunft als Stadt der künstlerischen Produktion hat?
Stephanie: Deutschland befindet sich in einem Schlüsselmoment, sowohl was die europäische als auch die Weltpolitik angeht. Und ich glaube, dass es wichtig ist, die guten politischen Entscheidungen zu unterstützen, die hier getroffen worden sind. Die Budgets für die Kultur sind ja immer noch da. Man will das weiterhin fördern. Sicherlich könnte man zynisch sein und sagen, dass man damit nur weiter den Tourismus ankurbeln will, aber ich meine, dass es da auch ein ernsthaftes Eintreten für die Kultur gibt. Und es macht Sinn, dass dann auch hier vor Ort zu unterstützen.
Geht es bei einem Projektraum vielleicht auch darum, der Stadt etwas zurückzugeben?
Paul: Ja, aber das soll nicht so sehr nach prätentiösem Gequatsche klingen. Also mein letztes Studio war in der Dunckerstraße im Prenzlauer Berg. Und in den 70ern und 80ern war dort im gleichen Gebäude eine Art Projektraumgalerie, die EP Galerie von Jürgen Schweinebraden. Obwohl die Galerie total inoffiziell war, wurde sie zu einem der wichtigsten Kunstorte in der DDR: Hier wurden zum ersten Mal Performances gezeigt und auch Videokunst. Die Stasi wollte die Galerie am liebsten schließen, aber es gab Leute, die sich schützend davor stellten, und so konnte sie eine ganze Zeit überleben. Das ist so ein wichtiges Stück Geschichte für die Stadt, aber niemand redet mehr darüber. Das ist fast vollkommen verschwunden, auch weil die Gegend dort in den letzten Jahren so hart durchgentrifiziert worden ist. Jedenfalls ist es diese Tradition, die ich vielleicht ein wenig im Hinterkopf habe, wenn ich an meinen Raum denke, die Idee, etwas von diesem Geist weiterzutragen.
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Interview: Manuel Wischnewski