FESTIVAL TOUR #4 – BERLIN-MITTE

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Das Project Space Festival ist auch eine Entdeckungstour durch die Stadt. Hannes Gruber nimmt uns mit zu seinen Lieblingsorten in Berlin-Mitte, wo am 30. August der Festival-Beitrag seines nomadischen Projektraums meantime projects seinen Anfang nehmen wird. Ein Spaziergang durch Mitte, vorbei an verschwindenden Lücken und geretteten Freiräumen.

Parkanlage neben der ehemaligen Deutschen-Post-Filiale
„Ich bin 1999 nach Berlin gekommen und habe seitdem immer in der Ecke hier gewohnt. Der kleine Park rechts neben der alten Deutschen Post auf der Torstraße war von Anfang an ein Ort, der mich interessiert hat. Da stand eine Skulptur drin, es gab eine kleine Treppenanlage, alles war natürlich runtergerockt, zugesprüht und voll mit Müll. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass da wirklich Leute Zeit drin verbracht haben. Dann gab es irgendwann eine Zwischennutzung mit Public Viewing und solchen Geschichten. Und jetzt wird dort gebaut. Es ist ja gar nicht so schade um den Park; der war jetzt nie die Perle des Bezirks. Aber die Entwicklung ist doch spannend: wie ein Teil des öffentlichen Raums einfach Privateigentum wird, mit dem gut Geld verdient wird. Und natürlich steckt da auch ganz viel Geschichte drin. Wahrscheinlich ist das eine klassische Bombenlücke gewesen. Und dann ist dem Ort auch das Elend des alten Ostberlin eingeschrieben, auch die finanziellen Probleme der Nachwendezeit, in der die Stadt größere Sorgen hatte, als einen kleinen Park zu pflegen. Ich schaue nicht nostalgisch auf solche Orte, aber ich mache mir gerne bewusst, was ich daran mochte. Und der Park war für mich ein Stück Stadt, das etwas offengelassen hat. Das hat mir gefallen.“

Torstraße
10119 Berlin

KIM Bar
„Ich bin ewig lange an diesem Ort vorbeigefahren und er war immer geschlossen: eine dreckige Scheibe und dahinter scheinbar nichts los. Das muss so 2004 gewesen sein. Durch Zufall bin ich dann mal vorbeigelaufen, als gerade zwei Leute drin waren: der Besitzer und der Architekt, wie sich herausstellte. Ich habe die beiden gleich gefragt, was denn überhaupt da drin gewesen sei. Die haben nur gelacht und gesagt, dass man einen „Drogen-Einzelhandel“ als Mieter gehabt hätte. Das muss wohl einfach ein Typ gewesen sein, der den kleinen Laden nur als Verteilerstelle für seine nicht ganz sauberen Geschäfte genutzt hatte. Die beiden meinten, dass ich da gerne was machen könnte und 2005 habe ich dann dort eine Cafébar aufgemacht – künstlerisch angehaucht, relativ dilettantisch und nicht sonderlich gewinnorientiert, kann man wohl sagen. Nach anderthalb Jahren mussten wir das Handtuch werfen und haben die Bar an die jetzigen Besitzer übergeben. Heute, nach so vielen Jahren, gehe ich da immer noch gerne hin. Letztes Jahr habe ich auch mal wieder eine Veranstaltung in der KIM Bar gemacht, ein Show & Tell, bei dem ich Projekträume vorgestellt habe.

Die Bar ist auf eine Art ein Relikt, obwohl sie nicht das typisch Nostalgische daran mitbringt. Vielleicht könnte man am ehesten sagen, dass der Ort eine Haltung hat. Die würden nie etwas machen, auf das sie selber nicht stehen.

Es gibt viele Stammgäste, aber ansonsten auch immer wieder neues Publikum aus allen Richtungen. Man kann da Samstagabend hingehen und es sitzen fünf Leute mit einem drin und an anderen Tagen tanzen alle auf den Tischen. Ich kann mich erinnern, zum zehnjährigen Jubiläum brachte einer der Stammgäste ein Feuerwerk mit, das er natürlich unbedingt drinnen zünden musste. Man kann sich ja ungefähr vorstellen, was dann los war. Der Brandfleck lässt sich jedenfalls jetzt noch bestaunen.“

Brunnenstraße 10
10119 Berlin
www.kim-bar.com

Treppenanlage hinter dem Berlin Dungeon
„Das ist einfach ein fantastisches, etwas verstecktes Objekt. Man stolpert eher so darüber, wenn man vorbeifährt. Mich erinnert die Treppe immer an den Bierpinsel in Steglitz. Die Treppe ist für mich einfach eine tolle Skulptur, die nicht als solche beabsichtigt war und trotzdem funktioniert: ein unendlich großer Klotz, aber von einer ganz eigenen brutalistischen Eleganz. Die ganze Gegend dort ist ja sehr speziell. Da findet die Berliner Billo-Bespaßung statt, mit dem Dungeon und dem AquaDom. Ein paar Meter weiter dann am Hackeschen Markt die High-Class-Version davon. Eigentlich sind das alles Unorte: Man kann sich in ein volles Café setzen und wird trotzdem von niemandem gesehen. So etwas wie die Treppe erdet diese ganze Gegend irgendwie.“

Spandauer Str. 2
10178 Berlin

ACUD MACHT NEU
„Ursprünglich war das ACUD ein besetztes Haus. Die Politik hat das Projekt auch ein paar Mal unterstützt, die Trägervereine sind trotzdem pleitegegangen. Eigentlich wäre das Haus auf den Markt gekommen und versteigert worden. Aber dann sind die jetzigen Betreiber eingesprungen und haben sich verpflichtet, hier eine kulturelle Nutzung zu sichern. Und ich mache seit Kurzem auch als Barchef mit.

Auf eine Art ist das ja ein sehr hässlicher Zweckbau, mit einer einzigartigen, für Berlin eher untypischen Innenhofarchitektur. So südosteuropäischer Betonchic, würde ich sagen: nicht schön, hat aber was.

Man sieht dem Ort die Epochen an. Und es ist natürlich besonders, dass hier so viele Projekte unter einem Dach sind: ein Kino, die Bar, die Galerie, das Theater, ein Club. Ich wüsste keinen anderen Ort, der ein so großes Spektrum der Kultur auf einem so hohen Niveau abdeckt.“

Veteranenstraße 21
10119 Berlin
www.acudmachtneu.de



Texte von Hannes Gruber
Protokolliert von Manuel Wischnewski
Fotografiert von manuscript696

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