Auch in diesem Jahr wählte eine Jury die teilnehmenden Projekträume des Festivals aus. Aber was ist eigentlich mit denen, die es nicht geschafft haben? Ein Gespräch mit April Gertler und Adrian Schiesser über ihren Projektraum Sonntag, Anrufe der Festivalleiterin und das schöne Gefühl, doch irgendwie dabei zu sein.
Euer Projektraum Sonntag ist in seinem sechsten Jahr, ihr habt mit über 60 Künstler*innen gearbeitet, seid international unterwegs gewesen und habt in diesem Jahr sogar den Projektraumpreis gewonnen. Spielt es da überhaupt eine Rolle, es nicht in die Juryauswahl für das Festival geschafft zu haben?
April: Wir sind mehr oder weniger seit den Anfängen des Festivals dabei. Marie-josé Ourtilane, die Festivalleiterin, war ziemlich enttäuscht, dass wir nicht dabei waren und hat uns sogar vor der Bekanntgabe der Juryentscheidung persönlich angerufen, weil sie nicht wollte, dass wir das einfach in einer E-Mail lesen. Aber es war letztlich okay für uns, auch weil wir gerade erst den Projektraumpreis bekommen hatten. Generell finde ich es durchaus wichtig, von seinen peers anerkannt zu werden, und das ist bei uns ja auch der Fall. Als wir allen vom Preis erzählt haben, haben so viele Leute geantwortet und geschrieben: „Ihr habt das wirklich verdient.“ Das war ein großartiges Gefühl und es ist wichtig, sich darauf zu konzentrieren.
Und trotzdem schützt einen das wahrscheinlich nicht ganz vor Enttäuschungen?
Adrian: Natürlich nehmen einen solche Sachen mit. Wir hatten uns zum Beispiel viermal für den Projektraumpreis beworben, bevor wir ihn jetzt bekommen haben. Andere Räume haben ihn nun schon zum zweiten oder dritten Mal erhalten. Als wir ihn auch bei der zweiten Runde nicht bekommen hatten, war das wirklich hart für mich. Da gab es einen Moment, an dem ich überlegt habe, ob ich weitermachen möchte.
April: Für mich ehrlich gesagt nicht.
Adrian: Das war auch nur ein ganz kleiner Augenblick. Aber das kann einem schon den Teppich unter den Füßen wegziehen und dann muss man sich erst wieder aufrichten.
Es ist ganz interessant, dass dich das eher am Projekt und nicht am Preis zweifeln ließ.
Adrian: Absolut. Trotzdem konnte ich erst mal nicht anders denken. Natürlich ist es traurig, dass das so was mit einem macht, dass es einen am Wert der eigenen Arbeit zweifeln lässt. Aber dann muss man zum Publikum zurückgehen und zu den Künstler*innen, um wieder Zuversicht zu schöpfen. Letztlich gibt es da zwei Seiten: Wir machen diese ganze Arbeit ja nicht, um von irgendeinem Establishment oder einer öffentlichen Institution anerkannt zu werden. Für uns ist es wichtig, dass die Leute kommen. Das Kunstwerk, so wie wir es verstehen, nimmt Form an, wenn das Publikum da ist, Künstler*innen eine Arbeit zeigen und es einen Austausch dazu gibt. Wir machen sicherlich kein Geld damit und das läuft alles auf Selbstausbeutung hinaus. Andererseits: Natürlich ist es schön, wenn man noch mal ein Stück extra Anerkennung von irgendwoher bekommt.
Gibt es auch in der freien Kunstszene den Druck, eine gewisse Fassade aufrechtzuerhalten? Muss man vermeintliche Misserfolge manchmal ein wenig verstecken?
Adrian: Wir gehen mit unseren Enttäuschungen ehrlich gesagt ziemlich offen um. Als wir den Preis nicht bekommen haben, haben wir Leuten auch gesagt, dass uns das ärgert. Das ist nichts, was man verstecken muss. Vielleicht kommt es aber auch darauf an, mit wem man spricht: Wir bewegen uns nicht unbedingt in den höheren Gefilden der Kunstwelt und unsere Community besteht größtenteils aus Leuten, die ähnliche Erfahrungen in der Kunstwelt gemacht haben. Daher fühlen wir uns nicht unbedingt verpflichtet, hier eine Schau abzuziehen.
Fühlt man sich nicht manchmal einfach komplett unverstanden?
Adrian: Das passiert, ja. Wir dachten manchmal, dass wir unsere Ideen vielleicht nicht klar genug vermitteln können, dass es vielleicht an der Kommunikation liegt. Wir haben dann auch einfach mal andere Leute um Feedback gebeten. Und oft denken wir auch, dass es daran liegt, dass wir zwischen die Kategorien fallen: Sonntag ist ein echter Hybrid; das Projekt hat sehr private und öffentliche Momente zugleich. Und da ist natürlich noch der Kuchen, dieses fast bourgeoise Element. Die Leute missverstehen das sehr schnell – bis sie dann mal vorbeikommen.
April: Es ist nicht nur so, dass die Leute unser Konzept am Anfang nicht verstehen. Sie nehmen es einfach nicht ernst. In 98% der Fälle ist es so, dass sie einfach lachen, wenn ich ihnen Sonntag erkläre und den Kuchen erwähne. Und dann muss ich es ihnen Schritt für Schritt näherbringen.
Markiert der Projektraumpreis für euch da einen echten Umbruch?
April: Durchaus, auch weil wir uns doch sehr unter dem Radar gefühlt haben. Die Leute wussten nicht genug über das, was wir da eigentlich machen.
Adrian: Ja, so ein Preis lässt einen dann schon denken: Okay, es gibt uns also doch. Und die Leute nehmen einen natürlich ernster. Das ist eine Art Beglaubigungszeugnis.
April: Was ich allerdings auch sehr problematisch finde: Das geht da letztlich wieder um die Frage, warum man denn diese offizielle Anerkennung braucht, um zu zeigen, dass das eigene Projekt seine Berechtigung hat. Wir wussten ja von alleine, dass Sonntag in unserer Community einen Platz hatte. Wir haben bei den Künstler*innen und dem Publikum einen Eindruck hinterlassen. Das ist unglaublich wichtig und erfüllend, das lässt einen weitermachen. Natürlich kann man sagen, dass wir uns nur eingeredet haben, den Preis nicht zu brauchen. Aber das ist wirklich nicht der Fall. Das Projekt selbst hat uns so viel gegeben und das tut es ja auch immer noch.
Ist es also vielleicht am Ende keine so große Sache, wenn man beim Festival mal nicht dabei ist?
Adrian: Könnte man schon sagen, ja. (lacht) Und weil wir nicht mitmachen, kann ja auch jemand anderes dabei sein und das ist vielleicht ein super interessanter Raum.
April: Es wäre ein ganz anderes Gefühl, wenn wir immer wieder abgelehnt werden würden. Aber so oder so fühlen wir uns als ehemalige Teilnehmer*innen dazugehörig zur größeren Festival-Community. Und es ist ja auch wichtig, bei solchen Sachen nicht außen vor zu sein. Ich mag die Idee der Rotation, die Vorstellung, vielleicht im nächsten Jahr mal wieder dabei zu sein. Außerdem bin ich einfach nur froh, dass das Festival wieder da ist. Es ist eine so tolle und wichtige Veranstaltung in Berlin, die eine Öffentlichkeit für viele Künstler*innen und Räume herstellt und der Stadt noch diese ganz andere Ebene verleiht. Das ist ziemlich ungewöhnlich. Und letztendlich geht es vielleicht ohnehin weniger darum, ob man nun dabei ist, sondern vielmehr darum, sich einfach nicht ausgeschlossen zu fühlen.
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Interview: Manuel Wischnewski